Seegras, ein Rohstoff mit Geschichte

Die Nutzung von Seegras hat eine sehr lange Geschichte, dazu haben wir bereits einige Artikel veröffentlicht, unter anderem hier: Holznagel (IGB Interessengemeinschaft Bauernhaus) sowie bereits 2013 in der selben Zeitschrift. Oder auch in der Zeitschrift "Restaurator im Handwerk". Außerdem haben wir einen Blogbeitrag zum Thema veröffentlicht.

 

Seegras als Dacheindeckung

Seegras wurde seit Jahrhunderten als Polstermaterial und auch für Dacheindeckungen und zum Dämmen verwendet.

 

Schiffe wurden mit Seegras gedämmt, und die Polster in Schiffen bestanden aus Seegras.

Auch die Polster vieler historischer Kutschen bestehen aus Seegras.

 

Es gab einige Fabriken, die das Seegras verarbeitet haben, in Dänemark z.B. bis zu 8 Millionen Tonnen jährlich.

 

300 bis 400 Jahre alte Seegrasdächer (www.tangtag.dk) kann man auf der Ostseeinsel Læsø bewundern.

Ca. um 1930 herum war Seegras durch eine Krankheit (Tangpest) stark dezimiert, seitdem wurden keine neuen "Tangdächer" auf Læsø gebaut. 1973 waren es noch 100, heute 31 Häuser mit Seegrasdächern, von denen bis jetzt 21 erneuert wurden.

Einige davon sind Museumshäuser, einige sind bewohnt, einige werden als Ferienhaus vermietet, z.B. "Knøv", siehe www.storhaven.dk.

Das Seegras für die neuen Dächer kommt von denselben Lieferanten, bei denen wir einkaufen.

 

Auf Læsø ist die Kultur der Seegrasdächer etwa 800 Jahre alt.

 

Es war ursprünglich die Aufgabe von Frauen,die mehrere Meter langen Zöpfe aus Seegras

zu drehen und im Dachstuhl zu befestigen.

 

Heute gibt es ein neues Seegrashaus auf Læsø, "det moderne tanghus".

 

(Siehe: www.laesoe-museum.dk und www.tangtag.dk und youtube "Det moderne Tanghus")

 

Es gibt sehr ähnliche mit Seegras gedeckte Dächer aus der Epoche, u.a. in Schweden (Gotland), Irland und China.

Seegras als Dämmung

 In den USA waren vor rund 100 Jahren Seegrasdämmmatten der Firma Cabot`s Quilt sehr verbreitet.

Sie bestanden aus einer für heutige Verhältnisse recht dünnen Schicht Seegras, die zwischen

zwei Bahnen Packpapier eingenäht war.

Es gibt noch einige alte berühmte Gebäude mit der ursprünglichen Seegrasdämmung,

z.B. den Rockefeller Center und die Radio City Music Hall in New York.

Auch in London gibt es alte seegrasgedämmte Häuser.

 

Eine interessante Broschüre der Firma Cabot`s Quilt aus den 30iger Jahren kann man hier herunterladen: http://archive.org/details/BuildWarmHousesWithCabotsQuilt

 

Es verwundert, wie damals schon über Dämmung geschrieben wurde (man würde so einen Text eher aus den 80iger Jahren erwarten), am Ende kommt dann auch noch der Hinweis, man hätte schon 30 Jahre Erfahrung!

 

In Wismar und in Norwegen wurden ähnliche Matten hergestellt.

 

Der britische Südpolforscher Robert Falcon Scott benutzte für seine Forschungsstation am Südpol Seegras zum Dämmen.

 

In den 50er Jahren wurde Seegras vor allem durch Erdölprodukte ersetzt, vermutlich weil die Menschen "modern" sein wollten und den künstlichen Dämmstoffen die besseren Eigenschaften zugetraut haben.

Dies hat sich ja inzwischen in vielerlei Hinsicht als Irrtum erwiesen.

 

In den 80er Jahren gab es einige Ökohausbaupioniere, die diese Kultur wiederbelebt haben, nichtzuletzt um ihre durch Umweltgifte ledierte Gesundheit wiederherzustellen.

 

Vor ca. 15 Jahren gab es im Klützer Winkel östlich von Lübeck eine Firma, die das bei der Strandreinigung anfallende Seegrasmaterial in großen Mengen gereinigt und aufbereitet hat.

 

Aktuell wird in Deutschland und in Dänemark wieder mit Seegras als Dämmstoff experimentiert, z.B. werden damit Fertighauselemente gefüllt (Realdaniabyg).

 

In Deutschland beschäftigen sich Firmen auch mit Seegras als Füllung für Matratzen

(Speltex und Dormiente), Kissen, Yogakissen, Hundebetten usw.

 

 

Text von 1920

Das Seegras (Zostera marina) hat durch den Ausfall des ausländischen Polstermaterials während des Krieges als solches wieder an Bedeutung gewonnen und erscheint jetzt wieder in größeren Mengen am Markt, von dem es eine Zeitlang zurückgedrängt war. Die Gewinnung des Seegrases und seine Zubereitung zu Polstermaterial bildet die Nebenbeschäftigung eines Teils der Bevölkerung an den Meeresküsten, so auch bei uns in Schleswig-Holstein. Bis vor einem Jahrhundert etwa benutzte man in unserer Heimat das am Strand gewonnene Seegras fast ausschließlich als Streumaterial und Düngemittel, bis es 1816 der dänische Justizrat L e h m a n n  als ein vortreffliches P o l s t e r m a t e r i a l , namentlich für Kissen und Matratzen, anpries. Seitdem findet es als solches meistens Anwendung. Das Seegras z.B., welches an der Kieler Außenförde die Wendorfer, Steiner und Laboer Fischer der See abgewinnen, wird ausschließlich zum Polstern benutzt. Während eines Badeaufenthaltes in Laboe hatte ich Gelegenheit, diesen Erwerbszweig näher kennenzulernen.

Das Seegras bedeckt an den Küsten in ausgedehnten Wiesen den Boden des Meeres. In großen Mengen wird fortwährend losgerissenes Gras durch Wind und Wogen ans Ufer getrieben und von den Strandanwohnern geborgen. Wer im Sommer an der Küste dahinschreitet, kann bemerken, wie fleißige Hände bemüht sind, das von den Meereswellen an den Strand geworfene Seegras sorgsam zu bergen und auf etwas höher gelegenen Plätzen zum Trocknen auszubreiten. Im Sommer steht das Seegras besonders kräftig, und der Strandbewohner lässt es jetzt nicht nur dabei bewenden, das von dem Meere freiwillig gespendete Seegras zu trocknen, sondern er versucht vielmehr, dem Meeresboden seinen Schatz abzuringen. Es wird jetzt daran gegangen, das Seegras zu mähen. Angetan mit alten Kleidungsstücken, watet der Fischer an Tagen, an denen "Seewind" weht, mit der Sense bewaffnet, bis an die Hüfte ins Wasser und mäht, genau so wie der Landmann zur Heumahd auf dem Lande, die submarinen Wiesen. Das geschnittene Seegras treibt an die Oberfläche, wird in Netzen aufgefangen, auf Kähne geladen und ans Land gebracht, um hier getrocknet zu werden. Der mit dem weißen Meeressand bedeckte Strand bietet hierzu die günstigste Gelegenheit. Infolge des hohen Salz- und Salpetergehaltes, der dem Seegras durch das Meerwasser anhaftet, trocknet es schwer. Es wird daher auf dem Sande ausgebreitet und nun öfters umgewendet. Dies hat nicht nur den Zweck, das Seegras zu trocknen, sondern auch hauptsächlich das Salz aus ihm zu entfernen. Bekanntlich ist Salz sehr hygroskopisch, d.h. es hat die Eigenschaft, Feuchtigkeit aus der Luft an sich zu ziehen. Der Salzgehalt würde das Seegras nun für Polsterzwecke unbrauchbar machen und den baldigen Ruin der mit diesem Material gepolsterten Möbel bedeuten. Es leuchtet daher ein, dass die vollständige Entfernung des Salzes eine wichtige Rolle spielt. Das Trocknen nimmt denn auch immerhin drei bis vier Wochen in Anspruch, während welcher Zeit das ausgebreitete Seegras immer wieder gekehrt wird. Der Eintritt von Regen begünstigt die Auslaugung und verringert die sonst hierfür erforderliche Zeit. Das gewonnene, vollständig trockene Material wird schließlich in Bündel, meistens von 12 bis 15 Kilogr. Gewicht, geschnürt und in die Stadt geschafft, wo es in bekannter Weise zur Polsterung von Möbeln verwertet wird. Das sachgemäß zubereitete Seegras erfüllt für lange Jahre seinen Zweck.   "Dat höllt för de Ewigkeit", meinte mein alter Freund aus dem Fischerstande, der mich in die Geheimnisse seiner Beschäftigung bereitwillig einweihte.

Im allgemeinen hat die Verwendung von Seegras zu Polstermaterial gegen früher abgenommen, da es durch das Roßhaar und anderes Material immer mehr verdrängt wurde. Jahrzehntelang erschien ein Kaufmann aus Laboe, um an Ort und Stelle den Fischern das trockene Seegras abzunehmen und es dann auf seinem Wagen hochaufgetürmt direkt nach Hamburg zu fahren und dort an Großhändler abzuliefern. Bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein sah man noch diese Wagen öfters im Straßenbild. Jetzt wird die Ernte auf dem Bahnwege befördert. Da das Seegras in Millionen von Zentnern vom Meere ans Ufer gespült wird, wo es im Nichtverwendungsfalle nutzlos verwest, meistens noch die Luft verpestend, wäre es zu begrüßen, wenn seine Verwertung zu Polsterzwecken wieder mehr zunehmen sollte. Wenn letztere auch nicht zum Lebensunterhalt der Küstenbewohner ausreicht, dürfte sie, als Nebenbeschäftigung betrieben, doch immer einen guten Groschen eingebracht haben und auch in Zukunft noch einbringen.            K a r l  R a d u n z ,  Kiel, 1920

 

 

 

 

 

 

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